Buchvernissage «Für dich öffne ich meine Schublade» – ein versöhnlicher Abend

Musik! Sie spielte an diesem warmen Septemberabend im Spittelsaal des Berner Generationenhauses eine tragende und verbindende Rolle. Wie Dejan Skundric seinem Akkordeon eine neue, in ihrer Intensität beeindruckende Version des Guggisberglieds entlockte, das schlug einen Bogen aus Melancholie und Lebenshunger zu den Liedern vom Balkan, die mit einem Mal verwandt und vertraut wirkten. So führten nonverbale Töne an dieser Buchvernissage durch ein Programm der Worte.

 

 

Lebendige Worte: Geschult auf der Theaterbühne, las die Autorin Annemarie Morgenegg eindrücklich aus drei von 21 Lebensberichten, die sie in ihrem Buch versammelt hat. Vom selbsternannten «Jugo» Nikola, der nach einer mehrjährigen Odyssee und zwei Anläufen in der Schweiz eine neue Heimat fand; von Samra, die Belagerung und Bombardierungen ihrer Stadt Sarajevo mit Mutter, Vater, Geschwistern und viel Mut überlebte; von Polona, die eines schönen Tages im Exil herausfand, dass auch Schweizerinnen und Schweizer Humor haben – das zahlreich erschienene Publikum dankte ihr mit Gelächter.


Dezidierte Worte: Amir aus Bosnien war selber im Krieg, Vesna aus Serbien nicht, doch beide sind davon geprägt und müssen mit den Folgend leben – dies wurde während des Podiumsgesprächs, das den Lesungen der Autorin folgte, klar. Vesna, Journalistin und Pazifistin spricht über den Krieg, wo immer sie kann: «Es gibt keinen gerechten Krieg», sagt sie, «jeder Krieg ist sinnlos». Amir, einst Soldat, heute ICT-Spezialist bei der Stadt Bern, will nicht über den Krieg sprechen, sich nicht erinnern: «Wir hatten genug Krieg!» Er findet in der Natur Sinn und Lebensfreude und versucht dies auch mit traumatisierten Schicksalsgenossen zu teilen.

Empathische Worte: Als langjähriger Balkan-Korrespondent fürs Schweizer Fernsehen weiss Werner van Gent, wie vermint auch in der ex-jugoslawischen Diaspora das Feld zwischen den Menschen der verschiedenen Kulturen und Religionen immer noch ist. Er gestaltete die Podiumsdiskussion nicht kontrovers, sondern schuf Verbindungen, wie es auch die Akkordeonmusik von Dejan Skundric tat. So kamen die Beteiligten u.a. zum gemeinsamen Schluss, dass Heimat durchaus an zwei Orten sein kann – van Gent schloss sich an, als Holländer in der Schweiz. Und die Autorin bekam Gelegenheit, zu erzählen, wie es überhaupt zu ihrem Buch kam, wie sie allein im VW-Bus losgefahren war und eine Region, ihre Menschen und deren Gastfreundschaft entdeckte. Und wie sie, zurück in der Schweiz, Menschen aus Ex-Jugoslawien, die hier leben, suchte und zu ihren Erfahrungen befragte. Es ging nicht um Politik an diesem Abend, sondern um Menschliches.

 

Tina Uhlmann

 

Fotos: ©Fiona Bolz

 

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Video Lesung im Generationenhaus

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Kommentare: 1
  • #1

    Karin Schwaar (Sonntag, 01 Oktober 2023 12:30)

    Gratulation!
    Herzliche Grüsse Karin